Fußballdoping

Correct!V: Für einen transparenten Sport

von Daniel Drepper

Jedes Jahr gibt die Bundesregierung hunderte Millionen Euro Steuergeld in den Sport. Was warum mit welchen Mitteln von wem gefördert wird, was mit diesem Geld genau geschieht und was dabei herauskommt – das alles ist nicht klar. Am kommenden Montag ist im Bundestag eine Öffentliche Anhörung zum Thema „Neue Strukturen für die Spitzensportförderung“. Wir bei CORRECTIV glauben, dass nur eine transparente Sportförderung Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt, effizient arbeiten kann und die Beteiligten fair behandelt. Deshalb sollte es ein Transparenzportal Sport geben.

[Unser Reporter Daniel Drepper ist als Sachverständiger zu der Öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Montag geladen. Dieser Blogpost ist eine abgewandelte Form seines Statements für die Anhörung.]


Die Grundlage für eine faire und transparente Sportförderung: Jede Zahlung aus Steuergeld muss von der Öffentlichkeit eingesehen und überprüft werden können – sei es auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene. Das ist bislang nicht der Fall. Das sollte sich ändern. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit dafür.

Vor den Olympischen Spielen im Jahr 2012 hatten mein Kollege Niklas Schenck und ich Einsicht in Akten des Bundesministerium des Innern beantragt sowie das Ministerium auf die Herausgabe der Medaillenvorgaben für die Olympischen Sommerspiele in London verklagt. Für die Kopien der Akten zur Sportförderung hatte uns das Ministerium 14.952,20 Euro in Rechnung gestellt, indem es unseren Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf 66 Einzelanträge aufgespalten hatte. Das Verwaltungsgericht Berlin hat diese Praxis diesen Sommer als rechtswidrig eingestuft und das Ministerium dazu verurteilt, uns mehr als 14.000 Euro zurückzuzahlen. Das Ministerium hat Berufung eingelegt. Die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht findet am 6. November 2014 statt.

Im Verlauf unserer Recherche haben sich der DOSB und das BMI mit allen Mitteln dagegen gewehrt, Zielvereinbarungen, Medaillenvorgaben und Akten freizugeben. Wir wurden angelogen, hinter verschlossenen Türen wurden Verbände eingeschworen, nicht mit uns zu kooperieren, die Kosten für unsere Anträge wurden rechtswidrig um ein Vielfaches erhöht. Solch ein Verhalten schreckt interessierte Bürger und Journalisten ab, an der Diskussion zur Förderung des deutschen Leistungssports teilzunehmen.

Vor unserer Recherche wussten nicht einmal die Sportverbände untereinander, wie viel Fördergeld andere Verbände im Detail bekommen. Das Gleiche galt für Politiker des Sportausschusses, Journalisten und erst recht für die interessierte Öffentlichkeit. Wie soll unter solchen Bedingungen eine Diskussion entstehen, die eine effiziente Verwendung der Mittel zur deutschen Leistungssportförderung hervorbringt?

Ich war zuletzt ein Jahr lang als Fellow an der Columbia Unversity in New York City und bin erst seit diesem Sommer zurück in Deutschland. Nach meinen Beobachtungen hat sich seitdem an der Intransparenz der deutschen Sportförderung nicht viel geändert.

Probleme durch Intransparenz
Die fehlende Überprüfbarkeit von Verwendung, Legitimation und Effizienz der Mittel ist in einer Demokratie nicht nur ganz grundsätzlich (und grundgesetzlich) falsch, sie schafft auch mehrere konkrete Probleme:

  1. Weniger Akzeptanz in der Bevölkerung: Je mehr sich das System Sport abschottet, desto weniger wird die interessierte Bevölkerung eingebunden. Im Zweifel entsteht eine Grundskepsis: „Die in den Verbänden, im DOSB, im Ministerium stecken sich mein Geld doch sowieso nur ein. Bei den Athleten kommt nichts an.“
  2. Weniger Druck, Argumente zu entwickeln: Solange die Mittelvergabe nicht öffentlich ist, braucht das System Sport keine schlüssige Argumentation für die Vergabe der Mittel zu finden. Das System muss die Vergabe nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, keine Fakten und Argumente liefern. Es kann – im Zweifel willkürlich – entscheiden, ohne dass es befürchten muss, dass andere die Entscheidung anzweifeln.
  3. Gefahr von Korruption: Je geheimer die Vergabe von öffentlichen Mitteln abläuft, je weniger Kontrolle es gibt und je weniger transparente Regeln, desto größer ist die Gefahr, dass sich Menschen nicht an Regeln halten und zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil von Freunden handeln.

All diese Probleme könnten mit verstärkter Transparenz in der Sportförderung eingeschränkt werden.

Grundsätzlich habe ich in meiner journalistischen Arbeit in den vergangenen Jahren den Eindruck gewonnen, dass Ideen von außen im deutschen Spitzensportsystem nur zögerlich aufgenommen werden – und dass nur auf großen Druck wirklich reagiert wird. Das zeigt sich meinen Beobachtungen nach in der Dopingbekämpfung, in der Aufarbeitung der Dopingvergangenheit, in Transparenzfragen, aber auch in der Verarbeitung von unliebsamen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Je mehr sich eine Struktur jedoch nach außen abschottet, desto größer ist die Gefahr, dass sie in die falsche Richtung marschiert und Korrekturen zu spät oder gar nicht vornimmt. Je offener ein System dagegen ist, desto effizienter wird gearbeitet. Wünscht sich Deutschland eine effiziente Sportförderung, sollte die Politik dafür sorgen, dass die Verteilung der Mittel so transparent wie möglich abläuft.

Lösung: Ein Transparenzportal
In Hamburg ist am 1. Oktober 2014 das Transparenzportal Hamburg gestartet. Dort veröffentlicht die Stadt Hamburg unter anderem alle Verträge zur Daseinsvorsorge, Haushaltspläne, Sitzungsprotokolle, Tätigkeitsberichte, Statistiken, Gutachten, Studien und Subventionsvergaben. Die deutsche Sportförderung sollte sich an diesem Portal ein Beispiel nehmen.

Der Bund ist dafür zuständig, den Spitzensport zu fördern. Der DOSB übernimmt bei der Koordination der Mittelverteilung an die Verbände Aufgaben, die sonst das Bundesministerium des Innern übernehmen müsste. Damit ist der Geschäftsbereich Leistungssport des DOSB ein Teil der mittelbaren Staatsverwaltung – und damit transparenzpflichtig. Diese Transparenzpflicht in der Sportförderung haben das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht Berlin im Sommer 2012 bei unseren Auskunftsklagen gegen das Innenministerium in ihren Urteilen festgestellt.

Die Vorgaben aus diesen Urteilen sollte das System Sport in ein „Transparenzportal Sport“ umsetzen.

Statt defensiv auf Entwicklungen und Anfragen von außen zu reagieren, sollte der Sport in die Offensive gehen. Sport ist grundsätzlich eine gute Sache, er hat die Kraft, die Gesellschaft zum Positiven zu verändern und Teilhabe, Inklusion sowie Zusammenhalt zu fördern. Sport sollte einen offenen Zugang für alle ermöglichen und zur Partizipation einladen. Das sture Zählen von Medaillen sollte seit 25 Jahren Vergangenheit sein.

Ein offener, transparenter, fortschrittlicher, demokratischer Sport dürfte mehr Akzeptanz und Relevanz generieren, als ein verschlossener Sport, der ein paar Medaillen mehr gewinnt – wenn er das denn überhaupt tut (siehe oben angesproche Ineffizienzprobleme geschlossener Systeme). Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht Berlin haben 2012 auch festgestellt, dass der aus Steuermitteln geförderte Bereich des Sports keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse haben kann. Der Transparenz staatlicher Förderung steht also nichts im Wege.

Der Sport kann und sollte Vorbild sein. Ein „Transparenzportal Sport“, in dem jede Zahlung aus Steuergeld, jeder Vertrag, jede Studie und jedes Gutachten öffentlich ist, könnte national und international ein Signal setzen. Deutschland würde sich emanzipieren.

Aus der Geheimsache Sport würde eine Allgemeinsache Sport.

Wer sich für Informationsfreiheit und Auskunftsrechte interessiert: Wir bei CORRECTIV haben einen Ratgeber zum Thema Auskunftsrechte veröffentlicht.

Montag: Anhörung im Bundestag
Im Bundestag ist am Montag, 13. Oktober, von 14 bis 17 Uhr eine Öffentliche Anhörung des Sportausschusses. Das Thema sind “Neue Strukturen für die Spitzensportförderung“. Es soll auch über die Transparenz der Subventionen für den Sport diskutiert werden.

Es gab vorab einen Fragenkatalog für alle Sachverständigen. Die Liste der Fragen findet sich unten. Ich bin als Journalist in vielen der im Fragenkatalog angesprochenen Bereiche kein Experte. Zwar habe ich zu vielen der genannten Themen gearbeitet und veröffentlicht, aber ich vermeide es, mich als Journalist zu Dingen zu äußern, mit denen ich mich nicht ausführlich und über einen längeren Zeitraum intensiv beschäftigt habe.

Journalisten sollten meiner Ansicht nach allerdings grundsätzlich Anwälte einer transparenten, demokratischen, offenen Gesellschaften sein und dabei auch für Informationsfreiheit eintreten. Deshalb habe ich die Einladung des Ausschusses angenommen und werde mich genau zu diesem Bereich auch äußern.

Die Anhörung ist im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in der Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1, Raum 3.101. Wer sich für das Thema interessiert, kann als Zuhörer dabei sein. Einfach bis Donnerstagabend eine E-Mail mit Vor- und Zuname sowie dem Geburtsdatum an sportausschuss (at) bundestag.de schreiben.

Hier finden sich die Antworten der übrigen Sachverständigen für die Sitzung am Montag.

Fragenkatalog

  1. Welche zentralen Ziele, Inhalte und Grundsätze sollten mit einer Reform der Leistungssportfördersystematik bzw. der Struktur des Leistungssports in Deutschland verbunden und welche Akteure sollten beteiligt werden?
  2. Welche konkreten Maßnahmen sollten in Deutschland durchgeführt werden (ggf. Aufschlüsselung nach Zuständigkeitsbereichen oder Akteuren), um zu mehr Effizienz und Effektivität sowie zu mehr Transparenz in der Spitzensportförderung zu kommen? Sind im Blick auf eine zielgerichtete und gerechte Verteilung eine Vergleichbarkeit der Sportarten und deren (finanziellen) Voraussetzungen gegeben?
  3. Welche guten Beispiele gibt es im internationalen Vergleich im Blick auf eine leistungsstarke Sportförderung und welche Bewertungskriterien/Maßstäbe liegen diesen zugrunde?
  4. Wie kann die Vereinbarkeit von Leistungssport und schulischer/akademischer/beruflicher Ausbildung („Duale Karriere“) in Deutschland gefördert werden und wie bewerten Sie die Realisierbarkeit auf Länderebene?
  5. Wie kann die Vernetzung von Bund, Ländern und Kommunen bei der Nachwuchsförderung im Leistungssport verbessert werden?
  6. Wie bewerten Sie die Situation der TrainerInnen in Deutschland allgemein und in Relation zur Kaderstärke?
  7. Welche (infra-)strukturellen Veränderungen im Leistungssport (z.B. bzgl. Olympiastützpunkte, Bundesleistungszentren, Forschungseinrichtungen) sehen Sie als reformbedürftig an?
  8. Welche weiteren Strategien zur Finanzierung des Leistungssports in Deutschland (neben staatlichen Zuwendungen) sehen Sie als besonders erfolgsversprechend an? Wie kann durch die Reform des Leistungssportsystems sichergestellt werden, dass alle Beteiligten, also insbesondere Staat, Sport, Sponsoren (Wirtschaft), auch an den Kosten beteiligt und die Aufgaben sinnvoll verteilt werden?
  9. Welche Synergieeffekte sind durch eine stärkere Verknüpfung von olympischem und paralympischem Spitzensport denkbar und wie können diese konkret realisiert werden?